Sonntag, 21. Februar 2010

Arthur Schopenhauer als Weisheitslehrer

Alle Weisheit, meinte Arthur Schopenhauer, beruhe auf Anschauung und nicht auf abstrakten Sätzen; daher sei sie nicht mitteilbar. Demnach, so könnte man folgern, gäbe es keine Weisheitslehrer. Was ist mit dem Buddha,  mit Lao-tse, Heraklit, Sokrates, ja mit Schopenhauer selbst  - waren das keine Weisheitslehrer? Arthur Schopenhauer fand in den altindischen Upanishaden den Trost seines Lebens  - waren diese für ihn keine Quelle der Weisheit? Im Gegenteil, Schopenhauer hatte die Upanishaden, den philosophischen Kern der Veden, als die "Frucht der höchsten menschlichen Erkenntnis und Weisheit" gepriesen!

Wenn ich über diese Fragen etwas nachdenke, dann  fällt mir dazu ein Spruch (eine Weisheit?) ein, die ich mal im Zusammenhang mit ZEN gelesen hatte: "Der Finger, der auf den Mond zeigt, ist nicht der Mond." Daher suche ich in Weisheitsschriften nicht "die Wahrheit" selbst, sondern "Fingerzeige" auf sie, Hinweise auf den Weg, der zu ihr hinführen kann.

Die "Wahrheit" zu erkennen, setzt die eigene Anschauung voraus, denn Anschauung ist das Fundament der Erkenntnis. Demenstprechend ist die "rechte Anschauung" ein wesentlicher Teil des vom Buddha gelehrten Edlen Achtfachen Pfades. Wie es zu der auf  "rechter Anschauung" gegründeten "rechten Erkenntnis" kommen kann, wurde vom Buddha in seinen "Lehrreden" ausführlich dargelegt.

Obgleich in anderer Form, aber doch in erstaunlicher inhaltlicher Übereinstimmung mit buddhistischen Aussagen fand ich bei Arthur Schopenhauer zahlreiche wertvolle Hinweise zu Kontemplation und Meditation, also zur "rechten Anschauung". Für Schopenhauer war es die "willensfreie" Anschauung, die nicht durch irgendein Wollen getrübte Wahrnehmung. "Reines Schauen"  kann zur Erkenntnis dessen führen, was durch Worte und somit auch durch Weisheitsschriften nicht mehr mitteilbar ist.

Weisheitsschriften, die auf spirituellen Erfahrungen beruhen,  haben hierbei durchaus ihre Bedeutung, denn  sie können helfen, die Augen zu öffnen, aber sehen müssen wir selbst. In diesem Sinne hat mir Arthur Schopenhauer auch in schweren Stunden meines Lebens sehr geholfen, und deshalb ist er für mich nicht irgendeiner der vielen Philosophen, über die in Universitätsseminaren theoretisiert wird: Arthur Schopenhauer war nie Philosophieprofessor, und seine Philosophie stand und steht immer noch abseits des akademischen Philosophiebetriebes. Wenn ich seine Schriften lese, habe ich nicht den Gelehrten vor mir, sondern einen Erfahrenen, einen, der "geschaut" hat. Gerade dadurch konnte Schopenhauer zu dem werden, was er für mich geworden ist, zum Weisheitslehrer.
hb

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Dienstag, 15. Dezember 2009

Arthur Schopenhauer und die buddhistische Mettasutta

Arthur Schopenhauer schrieb in seiner Preisschrift über die Grundlage der Moral, dass er kein schöneres Gebet wüßte als das, womit die altindischen Schauspiele schließen würden: Mögen alle Wesen von Schmerzen frei bleiben. Ganz besonders hob Schopenhauer dabei den Buddhismus hervor, der in seiner Moral nicht, wie die Christliche, die Thiere vergessen hat. Das zeigt sich immer wieder an christlichen Festtagen, an denen die "Festbraten", für die unzählige Tiere leiden und sterben müssen, mehr oder weniger im häuslichen Mittelpunkt stehen. So ist das auch zu Weihnachten, dem christlichen "Fest der Liebe und des Friedens". Hingegen bei den Anhängern indischer Religionen sei, so Arthur Schopenhauer, das anders, denn bei jedem persönlichen Glücksfall, jedem günstigen Ausgang, der Brahmanist, oder der Buddhaist nicht etwa ein te Deum plärrt, sondern auf den Markt geht und Vögel kauft, um vor dem Stadtthore ihre Käfige zu öffnen. Hierzu verwies Schopenhauer noch auf ein weiteres Beispiel, dass für diese Moral, die auch Tiere in ihren Schutz einbezieht, bezeichnend sei, nämlich das großes Tierhospital in Surat. Dieses Hospital war keine Ausnahme, denn es gab und gibt in Indien noch andere Tierhospitäler, die vor allem von Anhängern der dem Buddhismus nahestehenden Jaina-Religion unterhalten werden. Sie sind Beispiele für eine Ethik, wie sie wohl mit am eindrucksvollsten in der buddhistischen Mettasutta zum Ausdruck kommt:

Die Lebewesen groß und klein.
Ihr Leib sei grob, ihr Leib sei fein,
Sie sei´n beweglich oder nicht,
Ob sichtbar oder außer Sicht,
Von dieser oder jener Art,
In Zukunft oder Gegenwart:
Es werde allen höchstes Heil
Und ihres Herzens Glück zuteil!
(Übers. H. v. Glasenapp)
hb

Ausführlicher zu obigem Thema:
Herbert Becker, Vegetarismus und Tierschutz in der Jaina-Religion. In: Der Vegetarier. Zeitschrift für ethische Lebensgestaltung, Vegetarismus und Lebensreform. Heft 3 / Mai 1977, S. 85 ff. (> Jaina-Religion);
Herbert Becker, Buddhismus und Jainismus. Die Religion der Ahimsa. In: Holger Schleip (Hrsg.), Zurück zur Natur-Religion?, Freiburg im Brsg. 1986, S.178 ff.

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Mittwoch, 28. Oktober 2009

Zu Arthur Schopenhauer : Weisheit des Buddha

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Der Buddhismus ist eine sehr tiefe philosophische Religion. Er ist aber weit mehr als eine bloße Philosophie, denn er ist - worauf der Buddha sehr deutlich hinwies - eine Erlösungslehre:

So wie das Meer nur einen Geschmack hat, den des Salzes, so hat auch diese Lehre ... nur einen Geschmack: den der Erlösung.
(Anguttara-Nikaya 8,19,16. Zit. n. H. v. Glasenapp, Die Weisheit des Buddha , S.110)

Deshalb hielt es der Buddha für nutzlos, ja für Zeitverschwendung, sich mit Fragen zu beschäftigen, die nicht diesem Ziel, nämlich der Überwindung des Leides, dienen. In einem Gleichnis hatte er das sehr verständlich erläutert:


Wenn einer sagen würde: "Nicht eher werde ich beim Erhabenen den heiligen Wandel führen, bis er mir erklärt hat ´ewig ist die Welt ` oder ´nicht ewig ist die Welt ` ...", so würde er sterben, ehe der Vollendete es ihm erklärt hätte. 

Gesetzt, ein Mann wäre von einem Giftpfeil getroffen worden und seine Angehörigen hätten einen Arzt herbeigerufen. Der Mann aber sagte: "nicht eher werde ich diesen Pfeil herausziehen lassen, als bis ich den Mann kenne, der mich verwundet hat, und weiß, wie er heißt, aus welcher Kaste und Familie ... er ist und wie beschaffen der Bogen, die Sehne, der Pfeil ist, durch die mir die Wunde beigebracht wurde." Bevor der Mann dies alles festgestellt haben könnte, wäre er längst gestorben.  

Mag die eine oder die andere dieser ... Ansichten bestehen oder nicht bestehen, jedenfalls bestehen Geburt, Alter, Tod und Leid, deren Vernichtung schon in diesem Leben ich verkünde. Darum mögt ihr das, was ich erklärt habe, als erklärt, das aber, was ich nicht erklärt habe, als nicht erklärt hinnehmen. Und warum habe ich es nicht erklärt?  Weil es nicht zweckdienlich ist, weil es nicht zum heiligen Wandel gehört und nicht zur Weltentsagung, zur Leidenschaftslosigkeit, zur Erkenntnis, zum Nirvana führt.
(Majjhima-Nikaya 63. Zit. n. H. v. Glasenapp, Pfad zur Erleuchtung, S.69)

Auch die Philosophie von Arthur Schopenhauer ist in ihrem Kern eine Erlösungslehre, und wie der Buddha ging Schopenhauer (wie kein anderer  bedeutender westlicher Philosoph) vom Leid dieser Welt aus. Schon deshalb gibt es eine erstaunliche Übereinstimmung zwischen Schopenhauers Philosophie und dem Buddhismus. Schopenhauer war sich dessen bewusst, denn er bezeichnete sich und seine Anhänger als Buddhaisten.
hb

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Mittwoch, 15. Juli 2009

Buddhismus und Schopenhauer : Wiedergeburt

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Zu den am schwersten zu verstehenden Teilen des Buddhismus gehört dessen Lehre von der Wiedergeburt, weil der Buddhismus keine "Seele" im Sinne anderer Religionen kennt. Da ist es dann von besonderem Interesse, wenn im Milindapanha, einer buddhistischen Schrift aus dem 2. Jh.v. u.Ztr., dieses schwierige Problem anhand von Beispielen anschaulich erklärt wird. Dort geht es um Fragen, die der griechische König Menandros, der im nordwestlichen Indien herrschte, an den buddhistischen Mönch Nagasena stellte.

So fragte der König, der in der Schrift Milinda genannt wird, den weisen Nagasena: 
Wenn einer wiedergeboren wird, ist es dann derselbe (der starb) oder ist es ein anderer?
Nagasena antwortete: 
Weder derselbe noch ein anderer. So wie der Säugling nicht derselbe wie der Erwachsene ist, ... so wie die frische Milch nicht identisch ist mit der dicken Milch, so ist der Verstorbene nicht derselbe wie der Wiedergeborene, und doch reiht sich eine Kette von Dharmas (Daseinsfaktoren) in ungebrochener Kontinuität aneinander.
An anderer Stelle fragte der König:  
Wie kann sich die Wiedergeburt vollziehen, ohne dass etwas (eine Seele) herüberwandert? 
Antwort: 
Genau so wie man ein Licht an einem anderen anzündet, oder wie ein Vers, der von einem Lehrer aufgesagt wurde, von den Schülern nachgesprochen wird.


Die obigen Zitate (aus "Pfad zur Erleuchtung", übers. und hrsg. von Helmuth von Glasenapp) sind natürlich keine endgültigen Antworten, sondern geben Anregung zum weiteren Nachdenken. Letztlich wird jedoch die Antwort wohl nur auf spirituellem Wege, also etwa in der Meditation, zu finden sein.


Nach Arthur Schopenhauer ist Wiedergeburt die immer wieder neu erfolgende Manifestation des (metaphysischen) "Willens", der in stets neuen Existenzen zum Ausdruck kommt. Dieser Vorgang ist nicht als "Seelenwanderung" (Metempsychose), sondern im Sinne einer ständigen Erneuerung alles Seienden (Palingenesie) zu verstehen.
Im übrigen gilt :
Dem Willen zum Leben ist das Leben gewiss. (Schopenhauer)
hb

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Montag, 13. Juli 2009

Buddhismus : Erkenntnis statt Glaube

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Gestern las ich wieder einen Ausspruch des Buddha, der wohl in seiner Art einmalig in der Religionsgeschichte sein dürfte:

Richtet euch nicht nach dem, was euch zu Ohren gekommen ist, nach dem bloßen Hörensagen, nach dem, was von einem zum anderen weitergegeben wurde, nach Sammlungen von heiligen Überlieferungen, nach Vermutungen und ertüftelten Gründen, nicht nach äußeren Erwägungen, nicht nach eingewurzelten Anschauungen, nicht nach dem, was aussieht, als ob es angemessen sein könnte, und nicht nach den Worten eines verehrten Meisters - sondern was ihr selbst als gut oder schlecht erkannt habt, das nehmt an oder gebt auf.
(Anguttara-Nikaya 3,65,8; Übers. H. v. Glasenapp)

Zwar geht es auch im Buddhismus nicht ohne Glauben, aber dieser hat dort die Bedeutung von "Dafürhalten" und von Vertrauen, ist also mit "Glauben" im christlichen Sinne nicht zu vergleichen. Vielmehr kommt es im Buddhismus, wie obiges Zitat beweist, auf die eigene Erkenntnis an. Schon daran zeigt sich, dass der Buddhismus keine bloße Glaubensreligion , sondern eine philosophische Religion ist. Auch das ist meiner Meinung nach eine der Gründe, warum Arthur Schopenhauer dem Buddhismus vor allen anderen Religionen den Vorzug gab.
hb

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